Heute morgen habe ich einen zweijährigen Generator im Frust-Modus erlebt. Das Kind meiner Nachbarn stand brüllend neben dem Kinderwagen, der Teddy lag ein paar Meter weiter auf der regennassen Straße. Keine Lust auf Kindergarten.
In Human Design-Sprache würde man sagen: Lieber Generator, wenn du kein „ja“ hast, dann ist das hier der falsche Weg. Dann hast du nämlich ein „nein“. Folge deiner Begeisterung, dann hast du Energie und alles wird gut.
Das hab ich jahrelang all meinen Generator-Klienten erzählt und fand das auch sehr vernünftig. Als oberschlauer Nicht-Generator.
Aber erzählen Sie das mal einem Zweijährigen. Der hat trotzdem Energie – das können sein Teddy und sein Vater in diesem Moment vollkommen bestätigen. Diese Energie sagt: Ich muss wegrennen. Ich muss was kaputtmachen. Ich muss schreien. Ich muss sinnlos im Kreis herumrennen. Ich muss jemanden hauen. Und zwar so lange, bis dieses unangenehme Gefühl des Nicht-Wollens, aber Müssens, abgebaut ist.
Dieser Frust ist nicht etwa still und leise und wartet, bis er von seinem Kumpel Begeisterung abgelöst wird. Zum Beispiel durch einen zufällig vorbeispazierenden Eisverkäufer (Na klar, morgens um 8 bei Regen im Frühherbst. Träum weiter.).
Nein. Er setzt genau so viel Energie frei. Nur das hier nicht konstruktiv gearbeitet, erbaut, erschaffen wird.
Mein eigenes Kind hat dazu mal gesagt: Ich kann einfach nicht liegenbleiben, wenn du mich ins Bett gebracht hast. Ich würde ja gern, aber es geht einfach nicht. Es fühlt sich so unangenehm an, da muss ich einfach wieder aufstehen und gucken, ob du noch da bist.
Jetzt mal eine gewagte Theorie: Was wäre wenn….
Was wäre, wenn wir diese unangenehme Energie nicht sofort in die Tat umsetzen würden? Ist es möglich, sie einfach nur wahrzunehmen? Ist es vielleicht sogar ein Zeichen von Evolution, wenn wir unangenehme Gefühle nicht sofort in eine Aktivität umsetzen? Also nicht ….. telefonieren, shoppen, putzen, zu schnell Auto fahren, den zig-sten Kaffee trinken, eine Zigarette rauchen oder jemanden finden, der uns nervt, und den wir dann anraunzen können?
Sind wir vielleicht deshalb immer so müde und erschhöpft? Weil wir die Frust-Energie umlenken in idiotische, zerstörerische und sinnlose Aktivitäten – statt sie wahrzunehmen, zu beobachten, zu spüren? Statt drauf zu kommen, was genau sich gerade unangenehm anfühlt. Und daraus etwas über zu lernen, das wir wirklich ändern können?
Zurück zum Zweijährigen meines Nachbarn: Bei ihm geht es darum, dass er zur falschen Zeit Lust auf Dinge hat, die gerade nicht möglich sind. Eisessen zum Frühstück, Sandmann gucken zum Mittagsschlaf, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Das kenne ich sehr gut: Gerade will ich ein Paar 200-Euro-Schuhe von Hugo Boss, obwohl ich für ein neues Sofa spare, und die Kfz-Steuer bald fällig ist. Ich kann mich darüber wochenlang ärgern, kann die Schuhe bis zum Umfallen googlen und preisvergleichen, kann sie sogar bestellen und wieder zurückschicken. Ich kann mir ähnliche in der Billigversion kaufen, die dann natürlich doof aussehen und auch nicht richtig passen, die ich also auch wieder zurückschicken muss. Dabei trinke ich dann zu viel Kaffee, esse (da Nichtraucherin) zu viele Süßigkeiten und bin die ganze Zeit kribblig, schlechtlaunig und ganz schnell wütend.
Das heißt: all die Energie, die ich gerade habe, geht fürs Ärgern mit allen Randerscheinungen drauf.
Nach dem Kindergarten-Wutausbruch-Erlebnis heute früh habe ich mir mal eingestanden, wie gern ich diese Schuhe hätte. TOTAL GERN! JA! Und wie doof ich es finde, dass es grad nicht geht. MISTALTERVERDAMMTERDRECKSMIST!! Ich bin einmal durch die Wohnung getobt und habe laut geflucht und mich selbst bemitleidet (weil es natürlich nicht das erste Mal ist, dass ich mir einen 200-Euro-Spontankauf versage).
Und dann war es auf einmal gut.
Die Schuhe sind mir egal. Ich hab grad Lust, zu schreiben. Ein paar Klienten von mir anzurufen, um zu sehen, wie es ihnen geht. Ein bisschen Akquise zu machen.
Müssen dabei 200 Euro extra für die Schuhe rausspringen? Nö. Ist mir egal.
Und fühlt sich das besser an als vorher? Absolut.
Habe ich Energie? Jede Menge.
Mache ich damit etwas kaputt, nerve meine Umwelt oder überziehe mein Konto? Nein.
Welches blöde Gefühl auch immer euch gerade gepackt hält, ob es Frust, Wut, Langeweile, Lähmung oder Verbitterung ist: Hier versteckt eure Energie und eure Produktivität. Macht sie nicht durch Übersprungshandlungen kaputt, sondern nehmt einfach wahr, was ihr spürt, so lange, bis ihr wieder bei euch selbst angekommen seid.
Dann könnt ihr mit Sicherheit auch den nächsten Eisverkäufer wieder sehen.